Einarbeitung im Sanitätshaus:
3 Denkfehler, mit denen Sie
Ihre Einarbeitung ausbremsen
(Und wie Sie es sofort besser machen können)
von Julien Kensicki
Co‒Gründer, ehemaliger Recruiter und Ausbilder
Die meisten Sanitätshäuser geben sich bei der Einarbeitung richtig Mühe.
Und trotzdem: Viele Quereinsteiger sind nach drei Monaten weder produktiv noch selbstständig. Die Fachkräfte sind überlastet. Und die Führung fragt sich:
„Warum klappt das nicht – obwohl wir doch alles zeigen?“
Die Wahrheit ist:
Es liegt nicht an der Absicht. Es liegt am Timing, an der Struktur – und an drei Denkfehlern, die fast jeder macht.
Denkfehler #1
Sie starten mit Orientierung statt mit Fundament
Am ersten Tag ist alles neu, spannend, emotional aufgeladen.
Der neue Mitarbeiter ist motiviert, wissbegierig – und will es richtig machen.
Was passiert stattdessen in der Praxis?
Der neue Kollege wird durch alle Abteilungen geführt:
  • kurzer Besuch im Innendienst,
  • Smalltalk in der Werkstatt,
  • zwei Begriffe in der Verwaltung,
  • dann Begrüßung in der Filiale.
Viele Eindrücke, viele Menschen, viele Namen.
„Was wir da machen, sind gute Ideen – aber im falschen Moment.“
Jeder meint es gut.
Man will „erstmal zeigen, wie es bei uns so ist“, "Der Mitarbeiter muss erstmal ankommen", "Wir wollen niemanden überfordern" ...
Aber aus Sicht des neuen Mitarbeiters ist das wie eine Netflix-Serie starten – bei Folge 5.
Lösung #1
Nutzen Sie die hohe Energie am Anfang für Inhalte mit Langzeitwirkung.
  • Erklären Sie, wie das System Sanitätshaus funktioniert.
  • Geben Sie den Überblick: Warum tun wir hier was – und für wen?
  • Schulen Sie die ersten Fachbegriffe mit echten Beispielen.
💡 Sorgen Sie dafür, dass der neue Mitarbeiter eine fachliche Brille aufsetzt – bevor er durch das Haus läuft.
Denkfehler #2
Sie werfen neue Mitarbeitende ins kalte Wasser
Das passiert überall – weil man es nicht anders kennt. Ein neuer Kollege kommt und wird sofort eingesetzt: „Geh mal mit“, „Schau zu“, „Mach schon mal mit“.
Was man dabei vergisst: Der neue Kollege versteht weder den Ablauf noch das Ziel.
Und was passiert dann?
  • Der neue Mitarbeiter fühlt sich schnell überfordert. Er vergleicht die Realität mit seinen Erwartungen – und verliert Vertrauen.
  • Die Fachkraft vor Ort hat das Gefühl, plötzlich zwei Jobs gleichzeitig zu machen: versorgen und erklären.
  • Die Führungskraft denkt: „Er ist doch eingearbeitet“ – bis sich Wochen später herausstellt: Nein, ist er nicht.
„Was wie ein schneller Einstieg aussieht, ist oft nur ein vorschnelles Durchreichen.“
Das ist keine Kritik. Es ist ein Systemfehler. Denn wenn niemand bewusst festlegt, wann jemand arbeitsfähig ist, wird eben direkt losgelegt.
Was wirklich fehlt:
Der Einstieg in die fachliche Sprache, die grundlegenden Abläufe und das Verständnis für das System. Ohne diese Basis bleibt alles, was gezeigt wird, unverbunden und oberflächlich.
Und am Ende weiß der Mitarbeiter nicht:
  • Wie unser Geschäftsmodell funktioniert,
  • Was sein Jobziel ist,
  • Wie die Abläufe zusammenhängen,
  • Oder was Begriffe wie „Erstpauschale“ oder „GZZ“ bedeuten.
Er sieht Fachabteilungen – aber versteht ihren Zweck nicht. Er hört Fachbegriffe – aber kennt keine Definition. Er erlebt Abläufe – aber kann sie nicht einordnen.
LÖSUNG #2
Schaffen Sie eine vorbereitende Lernphase bevor es an den echten Arbeitsplatz geht.
  • Isolieren Sie einzelne Bausteine (Produktwissen, Systemlogik, typische Abläufe).
  • Erarbeiten Sie sie schrittweise.
  • Erst wenn ein Mindestverständnis vorhanden ist, geht’s in die Praxis.
💡 Erklären Sie nicht im Vorbeigehen – bauen Sie Wissen vorher auf.
Das ist für alle Beteiligten angenehmer – und effizienter.
Denkfehler #3
Sie behandeln Einarbeitung wie ein Nebenthema
Dieser Punkt ist hart – aber wahr. In vielen Häusern läuft Einarbeitung nebenbei.
Die Führungskraft hat eigene Themen, die Fachkräfte fangen an, sobald es „passt“ – und der neue Mitarbeiter ist irgendwo dazwischen.
Das passiert nicht aus böser Absicht. Es passiert, weil im Tagesgeschäft einfach kein Platz dafür ist. Man denkt: „Das läuft schon.“
„Einarbeitung, die keinen festen Platz im Kalender hat, existiert nicht. Sie passiert zufällig – oder gar nicht.“
Wenn man dann zwei Monate später merkt, dass der neue Mitarbeiter nichts weiß – ist es zu spät. Denn der Frust ist da, die Motivation ist weg – und die Fachkräfte sind genervt.
Wichtig: Auch in Schule, Ausbildung oder Studium wird bewusst Zeit fürs Lernen eingeplant. Es gibt Gründe, warum es dort konkrete Lernzeiten, Blöcke, Themen und Wiederholungen gibt.
LÖSUNG #3
Schaffen Sie feste Termine mit realistischen konkreten Lernzielen
  • Mit Lernzeit, Verantwortlichkeit und sichtbaren Zielen.
  • Planen Sie feste Einarbeitungsblöcke – nicht nur „Mitlaufen“.
  • Kommunizieren Sie klar: Das ist Phase 1 – und das ist Phase 2.
💡 Einarbeitung ist kein Luxus. Sie ist Ihr Werkzeug, um Umsatzkraft zu erzeugen.
Kleine Veränderungen, große Wirkung
Einarbeitung ist kein Rätsel – sie ist ein System. Und wie bei jedem System reicht es oft, an den richtigen Stellen kleine Dinge zu verändern, um eine große Wirkung zu erzielen.
  • Wer den Einstieg klüger strukturiert,
  • wer Praxis mit Substanz verknüpft,
  • und wer Einarbeitung als echte Führungsaufgabe begreift –
  • der verkürzt nicht nur die Lernzeit, sondern steigert auch Motivation, Vertrauen und Produktivität.
Die gute Nachricht: Sie müssen nicht alles umbauen. Sie müssen nur bewusst anfangen. Und je früher Sie starten, desto schneller haben Sie neue Kolleginnen und Kollegen, die wirklich mitarbeiten – statt nur mitlaufen. Jetzt ist der Moment. Nicht in drei Monaten. Denn jeder neue Einstieg ist eine neue Chance, es besser zu machen – dauerhaft, strukturiert und wirksam.
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